ADS / ADHS
Andere Begriffe für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind Hyperkinetische Störung (HKS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS). In diesem Text werden wir uns auf die Bezeichnung ADHS beschränken und schließen damit auch die Aufmerksamkeitsstörung ohne oder mit nur geringer Hyperaktivität (ADS) mit ein, weil es sich grundsätzlich um die gleiche Problematik handelt. ADHS beruht auf einer neurobiologischen Grundlage, d. h. es besteht eine biologische Veranlagung, die Probleme mit der Selbststrukturierung, Selbstorganisation und Selbststeuerung zur Folge hat. Bei der Entstehung einer ADHS können auch genetische Ursachen beteiligt sein, häufig finden sich in der Familie weitere Betroffene. Die resultierenden Schwierigkeiten einer ADHS lassen sich dann in sehr individueller und unterschiedlicher Ausprägung in drei Symptombereichen ausmachen:
- „Aufmerksamkeitsstörung“ (Probleme mit Konzentration, vermehrter Ablenkbarkeit, Arbeitsplanung und -organisation, …),
- „Hyperaktivität“ (vermehrter Bewegungsdrang, motorische Unruhe, …) und
- „Impulsivität“ (unüberlegte oder vorschnelle Reaktionen, vermehrte Provozierbarkeit, leichtere Verwicklung in Streit, …).
Auch wenn die resultierenden Schwierigkeiten sich oft ähneln, ist die Art und Weise, wie sich eine ADHS konkret auswirkt, von Mensch zu Mensch niemals gleich. Die konkrete Symptomatik einer ADHS hängt immer sowohl vom Ausmaß der neurobiologischen Veranlagung als auch von vielen weiteren Bedingungen in der Umgebung des Betroffenen ab und kann situationsabhängig auch beim einzelnen Menschen schwanken. Deshalb ist bei Verdacht auf ADHS eine umfassende und sorgfältige Diagnostik zur Abgrenzung der ADHS von möglicherweise anderen bestehenden Schwierigkeiten oder Erkrankungen wichtig.
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Vorstellung gibt es keine bestimmten psychologischen Tests (z. B. Konzentrationstests) und keine speziellen Untersuchungen (z. B. EEG oder Laboruntersuchungen), mit denen alleine man ADHS sicher feststellen kann. Die Diagnosestellung bei ADHS erfolgt bei bestehenden Symptomen einer Aufmerksamkeitsstörung vielmehr klinisch und beginnt zunächst mit der Erhebung einer sorgfältigen Anamnese (der medizinischen und persönlichen Vorgeschichte). Auch die Schulzeugnisse, beginnend von der Grundschulzeit an, sind hierfür wichtig. Einschätzungen von Erziehern oder Lehrern können zur Feststellung einer ADHS sehr hilfreich sein, werden aber natürlich nur in Abstimmung mit Patienten und Sorgeberechtigten erhoben.
Zur Diagnostik bei ADHS gehört auch die Durchführung einer Leistungsdiagnostik (sogenannte „Intelligenztests“), um die individuellen Leistungsmöglichkeiten festzustellen und z. B. eine schulische Unterforderung oder Überforderung auszuschließen, die manchmal ganz ähnliche Auffälligkeiten verursachen können wie bei einer ADHS. Weiterhin müssen andere psychische Belastungen oder Erkrankungen als Ursache von Konzentrationsproblemen oder schulischem Leistungsabfall ausgeschlossen werden. So kann z. B. auch eine depressive Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen zu ähnlichen Symptomen wie bei ADHS führen. Auf diese Art und Weise kann dann letztlich nach Ausschluss anderer Ursachen eine ADHS klinisch sehr zuverlässig diagnostiziert werden und die Planung der Behandlung beginnen.
Die Behandlung von ADHS soll immer multimodal erfolgen, d. h. sie erfolgt gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen und immer individuell angepasst, deshalb sind hier nur die wichtigsten Bausteine aus den Behandlungsmöglichkeiten dargestellt. Die wichtigste Grundlage der Behandlung von ADHS ist die umfassende Aufklärung zur Problematik und Anleitung und Beratung der Patienten und Bezugspersonen (Psychoedukation), die im Behandlungsverlauf immer wieder neu erfolgen kann und auch individuell dem jeweiligen Verlauf der ADHS mit den individuellen Bedürfnissen des Patienten und seiner Familie angepasst werden muss.
Weitere Bestandteile der Behandlung von ADHS können spezifische, meist verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Eltern-Trainings oder auch Beratungen der Lehrer sein. Als spezifische Therapie kann eine Verhaltenstherapie bei ADHS hilfreich sein. Ergotherapie wird eher dann eingesetzt, wenn zusätzlich zur ADHS spezifische Entwicklungsschwierigkeiten (z. B. feinmotorische Schwierigkeiten oder Wahrnehmungsprobleme) bestehen, was nicht selten der Fall ist.
Besonders in der Phase der Transition, dem Übergang vom Jugendalter in das Erwachsenenalter, kann spezifisches Coaching bei ADHS sinnvoll sein. Schließlich ist nicht in allen, aber doch in vielen Fällen, eine medikamentöse Behandlung der ADHS notwendig und hilfreich.
Die medikamentöse Behandlung einer ADHS ist nicht in jedem Fall erforderlich, sie stellt aber bei mittelgradigen oder schweren Verläufen die Therapie der Wahl dar. Sie muss stets auf der Grundlage einer umfassenden Aufklärung erfolgen, von einer kontinuierlichen Psychoedukation begleitet sein und bzgl. in ihrer Notwendigkeit im Verlauf immer wieder überprüft oder ggf. auch verändert oder angepasst werden.
Nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis hat eine auf diese Weise in ein Gesamtkonzept integrierte medikamentöse Behandlung die höchste Wirksamkeit bei der Behandlung der ADHS. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass auch andere Behandlungsformen wie zu Beispiel die Verhaltenstherapie bei ADHS eine stärkere Wirksamkeit zeigen, wenn gleichzeitig eine medikamentöse Behandlung erfolgt.
Für eine medikamentöse Behandlung bei ADHS stehen inzwischen in Deutschland mehrere zugelassene Wirkstoffe zur Verfügung. Im Gegensatz zu weit verbreiteten Befürchtungen ist eine medikamentöse Behandlung der ADHS als eine sichere Methode zu betrachten und ohne zu erwartende negative Langzeit- oder Dauerfolgen umsetzbar. Allerdings ist eine medikamentöse Behandlung bei ADHS individuell anzupassen und sollte in der Regel durch Spezialisten mit klinischer Erfahrung auf diesem Gebiet erfolgen.